
In Deutschland betrachten wir Entwicklungen im Ausland gerne mit dem „deutschen Blick“. Sprich: Alles, was es im Ausland so an Institutionen gibt, wird sehr eingedeutscht beschrieben. Das ist leider oft verkürzend und falsch. Mit German Vote kümmere ich mich in der Rubrik „Bananenkrümmung & Co“ deshalb ganz bewusst um verschiedene Gepflogenheiten und Institutionen der EU und beschreibe sie. Es handelt sich hierbei also um eine Art Institutionen-Lexikon.
Mit dem Trilog versuchen sich die drei Organe der EU, die an der Gesetzgebung beteiligt sind, zu koordinieren. Das hat Vor- und Nachteile – diese Episode beschreibt dieses Verfahren.
Neue Episoden erscheinen immer zur Mitte des Monats an Montagen. In deutsch, denn die englischsprachige Version – kenntlich gemacht an dem [en] im Titel folgt immer sofort in der darauffolgenden Woche.
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Transkription:
In meinen Podcast gibt es eine Art Lexikon-Rubrik, die sich mit institutionellem und mit Abläufen auseinandersetzt. „Bananenkrümmung & Co“ nenne ich diese. Hier möchte ich durchaus kritisch bestimmte Dinge erläutern.
Und der sogenannte Trilog ist tatsächlich eine Art institutionelle Gepflogenheit, die es in sich hat. Sie hat ihren Ursprung in einer gemeinsamen Erklärung. Es gibt sie seit 2007.
Konkret definiert die Bundeszentrale für politische Bildung den Trilog so:
„Informelle Verhandlungstreffen zwischen Vertretern der drei am EU-Gesetzgebungsprozess beteiligten Organe, Kommission, Parlament und Ministerrat bezeichnet. Die interinstitutionellen Konsultationen haben das Ziel, unter Vermittlung der Kommission rasch eine politische Einigung zwischen Europäischem Parlament (EP) und Ministerrat zu einem Gesetzesvorschlag herbeizuführen. Der im Trilog ausgehandelte Kompromiss ist vorläufig und muss im Anschluss von Rat und EP formell verabschiedet werden, was in der Regel ohne substanzielle Änderungen geschieht. Triloge können in jeder Phase des Gesetzgebungsverfahrens organisiert werden. Sie führen zumeist zu einer Einigung bereits in erster Lesung („Early Agreement“), oder einer frühzeitigen Einigung in zweiter Lesung („Early Second Reading Agreement“).“
Sprich der Europäische Rat als Vertretung der Länder, das EU-Parlament als gewähltes Parlament und die EU-Kommission als eine Art EU-Regierung besprechen vorab, wie Gesetze gestaltet werden. Das Ziel ist es, Gesetzgebungsverfahren zu beschleunigen. Der Trilog ist klassische Hinterzimmerpolitik, bei der Transparenz und Offenheit möglicherweise keine so große Rolle spielen. So wird es auch sehr kritisch gesehen.
Thilo Kunzemann, Pressesprecher des EU-Parlaments, sagt dazu:
„Ich habe mir mal so Statistiken angeschaut: Bevor es den Trilog gab, hat im Schnitt ein Gesetzgebungsprozess vom Vorschlag der Kommission bis zum fertigen Gesetz 38, 40 Monate gedauert, also drei, vier Jahre. In den letzten zehn, 15 Jahren reihen sich die Herausforderungen, die Krisen aneinander und es war allen Beteiligten klar, dass wir schneller werden müssen. Wir halten nicht mit den radikalen Umwälzungen, die wir links und rechts und auch in Europa sehen, Schritt, wenn wir drei, vier Jahre brauchen, von einem Vorschlag bis zum fertigen Gesetz, das dann ja noch angewendet werden muss. Da gibt es ja noch Übergangsfristen.
Schnellere Gesetzgebungsverfahren in der EU
Und seitdem es diesen Trilog gibt, diese sogenannte informelle interinstitutionelle Vereinbarung oder Verhandlung. Seitdem ist es radikal beschleunigt worden, ist man so bei einem knappen Jahr etwa. Das mag manchmal länger dauern. Bei einigen Entscheidungen zur Corona-Krise oder Finanzkrise und jetzt auch zur Ukraine geht es auch noch schneller, kann es auch in einem halben Jahr passieren. Aber so im Schnitt ist es 25 Prozent von dem, was vorher benötigt wurde.
Und dafür zahlt man halt einen gewissen Preis. So eine Demokratie ist ja immer der Versuch, möglichst alle Partner an den Tisch zu bringen. Alle können sich das anhören, die verschiedenen Organisationen, Verbände, Vereine können ihre Punkte einbringen. Dann gibt es verschiedene sogenannte Lesungen im Parlament. Die beiden Gesetzgeber, also der Rat, der die Staaten, die Regierungen der EU vertritt und das Parlament, das die Bürgerinnen und Bürger vertritt, die müssen ja gemeinsam ein Gesetz beschließen und im Lehrbuch stehen dafür drei Lesungen drin. Am Schluss gibt’s dann am Ende der zweiten, wenn die nicht erfolgreich ist, gibt’s den Vermittlungsausschuss und dann kommt man schon zu einem Ergebnis, was dauert eben Jahre.
Und deshalb hat man gesagt, wir brauchen eine informelle Verhandlung, wo wir die Leute, die zentral daran arbeiten, also die federführenden Europaabgeordneten, mit den entscheidenden Leuten aus dem Rat und der Ratspräsidentschaft und der handvoll federführenden Experten aus der Kommission. Wir bringen die zusammen, schließen die in den Raum und dann müssen die sich einfach einigen. Die müssen da am Ende mit einer Einigung rauskommen, mit einem Kompromiss, der für alle tragbar ist. Und das geht eben wesentlich schneller. Das geht nicht in einer Sitzung. Da gibt es dann zwei, drei, wenn es wirklich haarig wird und auch mal mehr Sitzungen. Irgendwann machen die die Sitzung dann einfach die ganze Nacht durch, um den Verhandlungsdruck noch zu steigern, um zu einem Ergebnis zu kommen.
Und diese intensive Arbeitsatmosphäre, die kriegen Sie halt auch nur dann hin, wenn die Leute wirklich frei und offen reden können. Wenn keiner sich Sorgen machen muss, dass eine gewisse Forderung oder Zugeständnisse gleich zu Medienberichterstattung führt, die dann zu wütenden Anrufen von der Regierung zu Hause, von der Fraktion führt. Die brauchen diesen geschützten Raum.
Die arbeiten aber nicht im luftreinen Raum, sondern die Leute, die sich da treffen zu diesen Verhandlungen, die natürlich hinter verschlossenen Türen stattfinden, die haben ein demokratisch legitimiertes Mandat. Und das ist ganz wichtig. Bei dieser Kritik am Trilog darf man das nie vergessen. Die Kommission arbeitet in einem langen Prozess mit öffentlichen Konsultationen einen Gesetzesvorschlag aus. Der kommt ins Parlament. In dem zuständigen Ausschuss, sagen wir, ist das ein Finanzthema, dann kommt es in den Wirtschaftsausschuss, wird dann in öffentlichen Anhörungen darüber beraten. Die Abgeordneten veröffentlichen ihre Änderungsanträge. Der Prozess, der steht komplett offen für alle. Man kann da teilnehmen, man kann sich das anhören, man kann sich die Aufzeichnungen dieser Verhandlungen anhören. Und am Ende dieser Verhandlungen verabschiedet der Ausschuss in der öffentlichen Abstimmung sein Mandat. Und dieses Mandat wird dann nochmal im ganzen Plenum geprüft.
Und dann hat man ein Verhandlungsmandat, mit dem diese sagen wir 15 Verhandlungsführer des Parlaments in diesen abgeschlossenen Raum reingehen. Das heißt, die agieren da nicht nach gut dünken, sondern die haben einen klaren Auftrag vom Parlament. Und dasselbe Mandat haben die Vertreter des Rates. Die haben von ihren Regierungen in zähen Verhandlungen auch einen Text bekommen mit den Punkten, die sie zugestehen können, die sie einfordern sollen.
Und deshalb finde ich diese Kritik, das ist intransparent und undemokratisch nicht gerechtfertigt, weil die zwar eine Weile sich von der Öffentlichkeit verabschieden für diese intensiven Gespräche, aber das eben auf Basis eines demokratischen Mandats machen. Und wir haben danach viel schnellere Entscheidungen, die dann immer noch einmal akzeptiert werden müssten.
Selbst wenn wir den Fall hätten, die Verhandlungsführer gehen völlig eigene Wege, beschließen etwas, das von den demokratisch gewählten Gesamtzeiten der Abgeordneten gar nicht gedeckt ist, dann fällt das durch, weil es noch mal anerkannt werden muss. Es gibt noch eine finale Abstimmung im Rat und im Parlament und diese ganzen Mechanismen führen dazu, dass es da keine völligen Wildwüchse gibt.“
Marion Walsmann, Mitglied des Europaparlaments für die Europäische Volkspartei (EVP):
„Wenn Ursula von der Leyen jetzt ihr Kollegium bestätigt bekommen hat und wir dann im November vielleicht das gewählt haben oder bestätigt haben, dann ist damit ja ein Programm verbunden und dem Programm entsprechend werden Gesetzesinitiativen von der Kommission in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten eingebracht ins Parlament.
Das Parlament bestimmt Berichterstatter aus den unterschiedlichen Ausschüssen, Fraktionen. Und die haben dann die Verhandlungshoheit, bis eine Parlamentsposition zu diesem Entwurf der Kommission eben abgestimmt wurde im Parlament. Und ich selber war dreimal schon Berichterstatterin. Zwei Berichterstattungen laufen noch. Und die Parlamentspositionen in diesen zwei laufenden Dossiers sind abgestimmt im Parlament.
Und jetzt geht es in den sogenannten Trilog. Denn kein Gesetz tritt in Kraft, wenn nicht die Kommission, die den Ursprungsentwurf eingebracht hat, das Parlament mit dem Berichterstatter federführend, der eine abgeänderte Version beschlossen hat im Parlament, und den Nationalstaaten, die natürlich ihr Go geben müssen, also in dem Trilog – deshalb drei Seiten: Trilog – eine Einigung erreicht haben.
Intensive Verhandlungen im Trilog
Und das sind spannende Verhandlungen. Da braucht man gutes Sitzfleisch, starke Nerven, eine gute Atmosphäre. Denn ich gehe als Berichterstatter, wenn ich jetzt vielleicht im Herbst in den Trilog meiner Spielzeugverordnung/meiner Spielzeugsicherheitsverordnung gehe. Dann sind die Schattenberichterstatter aus den zuständigen Ausschüssen mit bei mir. Mit denen muss ich auch ein Einvernehmen erzielen, wenn ich Kompromisse zugebe, die über den Beschluss im Parlament hinausgehen. Also, es ist ein Austarieren, ein Kompromisse bilden, ein geschicktes taktisches Verhandlungsmanöver. Und auf alle Fälle ist es immer gut, wenn eine gute Stimmung in diesen Räumen herrscht und man lange durchhält.
Das ist übrigens mit vielen Symbolen verbunden. Also wirklich, diese Triloge enden mit einem Handschlag der drei federführenden Personen. Und dann wird ein Gruppenfoto gemacht. Es gilt, diese Worte, die dann überall gleichgesprochen werden. Es hat schon was von einer Zeremonie, wenn man so eine Einigung erreicht. Und das ist was ganz Besonderes.
Und das ist auch die besondere Kraft, die ein einzelner Abgeordneter auch entfalten kann. Im Bundestag, Landtag sind die Fraktionen, die die Macht haben, nicht der Einzelne. Und hier steht der einzelne Abgeordnete schon ziemlich im Fokus sein Verhandlungsgeschick, Frage der Kreativität, Formulierungen einzubringen, kompromissfähige Brücken zu bauen, aber eben nie erst den Blick zu verlieren, was das eigentliche Ziel der Gesetzgebung ist.
Das Spannende und ist ja, dass dann dieser Bericht den Namen des Berichterstatters trägt. Also, wenn irgendwann meine Kinder mal recherchieren, was hat ihre Mutter gemacht, und nach Walsmann googeln, dann findet man eben den Walsmann-Bericht. Und das ist auch eine Motivation, sich eben reinzuknien. Aber diese mit dem Namen verbundene Gesetzgebung ist auch eine hohe Verantwortung. Man kann sich eben nicht hinter einer Fraktion verstecken.“
Dies war eine Episode aus meiner Podcast Rubrik „Bananenkrümmung & Co. Diese Rubrik setzt sich mit Institutionellem, den Abläufen in der EU auseinander. Durchaus kritisch fällt da der Blick auf den Trilog aus, der zwischen dem EU-Parlament, der EU-Kommission und dem Europäischen Rat initiiert wird.
Transparenzhinweis zu dieser Episode über den Trilog in der EU
Hier der Transparenzhinweis für diese Folge. In dieser Folge fließen Statements und Informationen des EU-Parlaments ein. Statements des EU-Parlaments wurden von mir im Rahmen einer Reise nach Straßburg aufgenommen. Dazu habe ich eine Reisekostenunterstützung des EU-Parlaments erhalten und habe die Dienstleistungen des EU-Parlaments für Journalisten genutzt, zum Beispiel die Aufnahmestudios in Straßburg. Natürlich haben die verschiedenen Institutionen keinerlei Einfluss auf den Inhalt und die Ausrichtung dieses Podcasts genommen.