Quelle: Stroisch/canva.com

Die Plastikdeckel führten in Deutschland zu einer Diskussion.

Podcast #5 German Vote – die Sache mit den festen Plastikdeckeln [de]

"Plötzlich" waren die Plastikdeckel an vielen Getränkepackungen fest verbunden. Ein Aufreger in Deutschland, bei dem wieder viel über die EU gelästert wurde. Eine neue Episode aus der Rubrik "Kai aus der Kiste" des Pro-EU-Podcasts German Vote (deutsche Version).
German Vote
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Podcast #5 German Vote - die Sache mit den festen Plastikdeckeln [de]
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Mit German Vote ist ein Podcast über Verbraucherthemen der EU machen. Denn: Diese beeinflussen unser aller Alltag – sehr direkt. In der Rubrik „Kai aus der Kiste“ beschreibe ich – „überraschende“ – Initiativen der EU und diskutiere ihre Auswirkungen. Dieses Mal also die Plastikdeckel, die nun mit den Getränkeverpackungen verbunden sind – dies geht auch auf eine EU-Regelung zurück.

Neue Episoden erscheinen immer zur Mitte des Monats, am 2. Montag im Monat in deutsch (kenntlich gemacht durch ein [de]). Eine Woche später, also am 3. Montag im Monat gibt es dann die gleiche Folgen in englisch (kenntlich gemacht an dem [en] im Titel). Sie ist nicht exakt identisch zur de-Folge, aber nahezu.

Bitte vernetze Dich dazu gerne mit mir auf LinkedIn oder Instagram. Auf diesen Plattformen begleite ich auch diesen Podcast mit weiteren Informationen.

Transkription:

Hallo, mein Name ist Jörg Stroisch und ich bin seit über 20 Jahren Journalist für Verbraucherthemen und das ist auch der Grund, warum ich diesen Podcast mache. Denn bei Verbraucherthemen kommen viele Dinge von der EU. Und dies ist übrigens eine neue Folge aus der Rubrik Kai aus der Kiste. Denn vieles ist hier plötzlich geschehen rund um die Plastikdecke.

Die fest verbundenen Plastikdeckel waren plötzlich da

Sie waren plötzlich da. Im Englischen nennt man sie übrigens Tethered Caps. Plötzlich deshalb, weil viele Medien erst ab Montag, dem 3. Juli 2024, ernsthaft darüber berichtet haben. Und plötzlich auch deshalb, weil die Decke natürlich schon seit etlichen Monaten fest mit der Flasche verbunden sind, zumindest teilweise. Und plötzlich auch deshalb, weil die zugrundeliegende Richtlinie schon seit 2019 in Kraft ist, nämlich konkret die Richtlinie 2019/904 über die „Verringerungen der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt“, so der Titel.

Hier steht in Absatz 17:

„Aus Kunststoff bestehende Verschlüsse und Deckel, die für Getränkebehälter benutzt werden, zählen zu den Einwegkunststoffartikeln, die an den Stränden der Union am häufigsten als Abfall vorgefunden werden. Daher sollte das Inverkehrbringen von Einweg-Getränkebehältern aus Kunststoff nur gestattet werden, wenn sie bestimmte Anforderungen an das Produktdesign erfüllen. Damit Einträge von aus Kunststoff bestehenden Behälterverschlüssen und Deckeln in die Umwelt erheblich vermindert werden. Für Getränkebehälter, die Einweg-Kunststoffartikel und Verpackungen sind, ist dies eine zusätzliche Auflage zu den Grundanforderungen an die Zusammensetzung, Wiederverwendbarkeit und Verwertbarkeit, einschließlich der Recycelbarkeit, von Verpackungen gemäß Anhang II der Richtlinie 94/62/EG.“

In jedem Fall war die Aufregung in Deutschland groß, als diese Kunststoffdeckel gekommen sind.

Andreas Schwab, Mitglied des Europäischen Parlaments für die Europäische Volkspartei (EVP), sieht den Grund dafür darin:

„Ich glaube, dass wir zunächst mal damit beginnen müssen, dass wir sagen, dass älter werdende Gesellschaften eben ganz grundsätzlich veränderungsunwilliger werden. Und überall in Europa, der Draghi-bericht hat ja auch wieder darauf hingewiesen, haben wir es eben mit älter werdenden Gesellschaften zu tun. Und da gilt natürlich das Prinzip: Wer kann denn auf diese Idee? Das haben wir ja noch nie so gemacht.

Richtig ist, dass im Zusammenhang mit diesem festgelegten oder festhängenden Deckel an den Flaschen natürlich nicht an die Kratzer der Nasen gedacht wurde, die dadurch entstehen können, ist mir selber auch schon passiert.

Aber im Falle der Plastikdeckel glaube ich, dass wir mit wenig Kosten wahrscheinlich in den nächsten Jahrzehnten viel erreichen können. Die deutschen Verbraucher sind da ja bewusst und fragen sich vielleicht deshalb auch mit etwas mehr Nachdruck, warum er noch mehr Regeln gebraucht hat. Aber den gelben Sack, das wissen alle aus dem Urlaub, gibt es eben nicht in allen Ländern Europas und schon gar nicht in allen Ländern der Welt. Und deswegen würde ich einfach um Verständnis bitten, man muss den Deckel einfach richtig zur Seite schieben und dann nicht auf die Nasenhöhe nehmen, sondern eben nach rechts oder nach links, dann kann man auch weiterhin aus der Flasche trinken, ohne gesundheitliche Schäden.“

Und René Repasi, Mitglied im Europäischen Parlament für die sozialdemokratische Fraktion SD sagt dazu:

„Der Hintergrund bei dieser konkreten Geschichte ist natürlich und jeder, der mal an der Küste Urlaub gemacht hat, weiß das, der massive Umfang an Plastikmüll, der in unseren Meeren unterwegs ist. Inzwischen gibt es das ja, dass einige Gemeinden auch sagen, sammelt mal den Abfall ein, der so auf dem Stammspaziergang entgegenkommt. Da wird man sehen, dass da einen ganzen Haufen auch Flaschendeckel dabei sind. Und dieses Plastik wird ja nicht zersetzt.

Das kommt dann, wenn es dann von Fischen gefressen wird und dergleichen wird, kommt das wieder in den Kreislauf zurück. Das ist wahrlich auch nicht gesund für die menschliche Gesundheit. Und da mag sozusagen sich diesen einen Deckel anschauen. Aber aus vielen kleinen Deckeln werden ganz viele Deckel. Man muss da mal mit etwas anfangen.

Das ist eine Maßnahme, mit der man verhindert, dass unbewusstes Wegschmeißen von Plastikdeckeln stattfindet. Inzwischen gibt es auch Lösungen, wie man damit umgehen kann, dass es einen irgendwie nicht nervt. Insoweit hat sich da auch relativ schnell das Drama beruhigt.“

In Deutschland seit 3. Juli 2024 inkraft

In Deutschland wurden diese Vorgaben damit der „Verordnung über die Beschaffenheit und Kennzeichnung von bestimmten Einweg-Kunststoffprodukten“ (EWKKennzV) umgesetzt. Diese trat am 3. Juli in Kraft, also kurz bevor die Medien alle darüber berichtet haben.

Konkret steht hier in Paragraph 3 Absatz 1:

„Getränkebehälter mit einem Füllvolumen von bis zu 3,0 Litern, die Einwegkunststoffprodukte sind und deren Verschlüsse oder Deckel ganz oder teilweise aus Kunststoff bestehen, dürfen ab dem 3. Juli 2024 nur in Verkehr gebracht werden. Wenn die Verschlüsse oder Deckel während der vorgesehenen Verwendungsdauer am Behälter befestigt bleiben. Für Getränkebehälter, die den harmonisierten Normen im Sinne des Artikels 6, Absatz 3 der Richtlinie EU 2019/904 entsprechen, wird vermutet, dass sie die Anforderungen nach Satz 1 erfüllen.“

Aber nochmal zur Wiederholung: Die Grundlage dafür wurde bereits 2019 gelegt, also schon viele Jahre vorher. Den Vorwurf, dass die Richtlinie unbedacht war, vielleicht sogar gar kein Beweis für die Wirksamkeit besteht, finde ich schwer nachzuvollziehen. Denn in der EU wird eigentlich zu jedem Gesetz immer eine Studie gemacht. Als Beispiel können hierfür Studien für eine neue EU-Vorschrift gelten für weniger Verpackungen, die vom Europäischen Parlament am 24. April 2024 gebilligt wurden. Die begleitende Studie umfasst 276 Seiten.

René Repasi von der SPD sagt dazu:

„Bevor es zu einem Gesetzgebungsvorschlag kommt, ist die Kommission seit einigen Jahren dazu verpflichtet, eine Folgenabschätzung vorher zu machen. In dieser Folgenabschätzung wird das Problem benannt. Hier das Problem, so viel Plastikmüll im Meer. Und dann sind sie verpflichtet, verschiedene Politikoptionen darzulegen. Totalverbot, Regulierung, Warnhinweise etc. Dann mussten sie anhand der Studienlage prüfen oder im Zweifel selber Studien in Auftrag geben, welches die am geringsten eingreifende Maßnahme ist, die aber das Problem adressiert. Da gibt es in jedem Gesetzgebungsvorschlag einen entsprechenden Absatz und wenn man sich für die Studien interessiert, kann man auf das zusätzliche Begleitdokument gehen, was meistens über 100 Seiten ist, in der die Studienlage sehr eindeutig dargestellt ist. Insoweit ist die Kommission dazu verpflichtet, das zu machen. Die Dokumente sind überall abrufbar, aber das ist jetzt, sagen wir mal, nicht unbedingt ein seichter Abendroman.“

In jedem Fall wurde in Deutschland viel über die Plastikdeckel diskutiert, sehr kontrovers zum Teil. Und natürlich war es mal wieder die doofe EU, die das schuld war.

Das erklärt Andreas Schwab von der EVP mit einem generellen Problem:

„Wenn in Berlin Unsinn entschieden wird, wird deshalb niemand die Bundesrepublik Deutschland in Frage stellen. Vielleicht gab es das mal vor 200, 300 Jahren, denn so lange gibt es die Bundesrepublik ja auch noch nicht. Aber jedenfalls heute ist es so, dass da keine Grundsatzfrage gestellt wird. Das ist bei der Europäischen Union immer noch ein Stück weit der Fall. Und das ist natürlich manchmal etwas anstrengend, aber es muss gar nichts Schlechtes sein, weil es natürlich dazu führt, dass man eigentlich sich der Tatsache bewusst ist und bewusst sein muss, dass die eigenen Entscheidungen gut kommuniziert werden. Da müssen wir sicherlich noch besser werden.

Aber es gibt, glaube ich, wenige Entscheidungen, die nicht in der Kommunikation her auch vorbereitet werden. Und da haben wir sicherlich sogar noch einiges voraus anderen Ländern, auch in Europa. Aber wir müssen sicherlich auch da noch besser werden. Und auch das werden wir in dieser Legislaturperiode natürlich versuchen.“

Das war eine Podcast-Folge aus der Rubrik „Kai aus der Kiste“, in der ich mich sehr stark mit mehr oder minder aktuellen Entwicklungen rund um Verbraucherthemen der EU beschäftige. Und dieses Mal waren die plötzlich mit der Flasche verbundenen Deckel das Thema, für das die EU vor einigen Wochen in Deutschland doch sehr harte Kritik einstecken musste.

Transparenzhinweis zu dieser Episode von German Vote

Und hier der Transparenzhinweis für diese Folge: In diese Folge fließen Statements und Informationen des EU-Parlaments ein. Statements des EU-Parlaments wurden von mir im Rahmen einer Reise nach Straßburg aufgenommen. Dazu habe ich eine Reisekostenunterstützung des EU-Parlaments erhalten und habe die Dienstleistungen des EU-Parlaments für Journalisten genutzt, zum Beispiel die Aufnahmestudios in Straßburg. Natürlich haben die verschiedenen Institutionen keinerlei Einfluss auf den Inhalt und die Ausrichtung dieses Podcasts genommen.