- Foto: Jörg Stroisch

Smaragdgrüne Batterie im Alpenidyll

Wasserkraft: Mitten im österreichischen Alpenidyll von Kaprun geht Europas größte Kraftwerksbaustelle in ihre letzte Bauphase. 50 000 m3 Stein wurden dazu aus dem Berg gehauen. Vor Ort im Salzburger Land allerdings regt sich Widerstand gegen die dazugehörigen Höchstspannungsleitungen.

Wasserkraft: Mitten im österreichischen Alpenidyll von Kaprun geht Europas größte Kraftwerksbaustelle in ihre letzte Bauphase. 50 000 m3 Stein wurden dazu aus dem Berg gehauen. Vor Ort im Salzburger Land allerdings regt sich Widerstand gegen die dazugehörigen Höchstspannungsleitungen.

Wie eine Metallstatue ragt die Turbine in die Halle hinein. Unten ist das 3 m dicke, hell glänzende Rohr in eine Art rot gerippte Halterung gefasst. Arbeiter im Blaumann schlendern im hellen Neonlicht an der Turbine vorbei. Ihr oberster Boss ist Karl Wimmer, Betriebsleiter von Europas größter Kraftwerksbaustelle „Limberg II“ im österreichischen Kaprun. „240 MW erzeugt diese Turbine bald“, sagt er und weist dabei mit seiner rechten Hand in die Halle hinein.

Die Baustelle ist das Lebenswerk des immerfort lächelnden Ingenieurs, und sie lässt ihm seit sieben Jahre keine Ruhe. Denn die 44 m hohe Krafthalle mit den Turbinen ist nicht etwa oberirdisch in einem Industriebau untergebracht. 100 m tief wurde sie in den Berg gesprengt – und das in 1670 Höhenmetern, mitten in den österreichischen Hochalpen. 50 000 m3 Gestein, die Ladung von etwa 25 000 Lkw. In den Hohlraum „Limberg II“ würde das Kirchenschiff des Stephansdoms in Wien hineinpassen.

Die Problematik der Stromspeicherung 

Und dieser ganze Aufwand hat vor allem einen Sinn: die Speicherung von Strom. Denn die regenerativen Energiequellen haben ein Problem. Der Wind der Nordsee zum Beispiel weht auch dann, wenn niemand Strom benötigt – und zu anderen Zeiten dann gar nicht. „Der Energiefluss ist unkalkulierbar“, erläutert Wimmer. Im europäischen Verbund soll der wertvolle Ökostrom umweltfreundlich gespeichert werden.

Das erledigen Pumpen an den verschiedenen Stufen von Limberg und Kaprun. Sie bringen dazu Wasser aus dem auf 1672 m liegenden Staubecken Wasserfallboden in das etwa 350 m höher liegende Staubecken Mooserboden, über 80 Mio. m3 fassen beide jeweils. Wird dann später wieder Strom benötigt, verkauft die Verbund AG aus den Limberg-Turbinen erzeugten Ökostrom auch nach Deutschland.

Das Geschäftsmodell: Ist überschüssiger Strom im europäischen Netz vorhanden, kauft die Verbund AG diesen billig ein und die Pumpen treiben Wasser nach oben. Wird der Strom knapp – und somit teuer – gibt sie ihn über die laufenden Turbinen wieder ab.

Hell, smaragdgrün glitzert die Oberfläche des Mooserboden-Sees. Er ist 80 m tief und durch die Steinabwaschungen des alten Wassers des umliegenden Gletschers eben in dieser undurchdringlichen türkisgrünen Farbe gefärbt. Am Berg blenden die Schneemassen, fast wie helles Milchglas schmiegt sich das kurz von der Sonne angetaute Eis an den grauen Felshang.

Ein Alpenidyll. Doch das Idyll ist menschengemacht. Imposante Stauwehre begrenzen die Wassermenge.

Die komplette Kraftwerksanlage wurde in den 1950er-Jahren aus Mitteln des Marshall-Plans fertiggestellt. Schon damals war der österreichische Limberg löchriger als ein Schweizer Käse, mit groß angelegten Tunnelanlagen gelangen Mensch und Material bis an die Spitze des Stausees.

Ein Lkw fährt mit 30 km/h über die Betonplatten eines dieser Tunnel. Vorbei an schon von weitem hell schimmernden Bergdurchbrüchen, geht es durch die glitschigen, fast schwarz-grauen und grob aus dem Fels gesprengten Felstunnel weiter gen Kaprun-Oberstufe. In Schlangenlinien und mit einer Steigung von etwa 11 %, damit auch Schwerlasttransporter nach oben kommen. Für das Großprojekt Limberg II wurden extra 5,3 km in den Berg gesprengt. Kostenpunkt für die Zugangswege insgesamt: etwa 28 Mio..

Bezhalbare regenerative Energie

Im Vergleich zu den Gesamtkosten des Projekts von etwa 400 Mio. – ist das verkraftbar. „Die Wasserkraft ist die einzige regenerative Energie, die marktfähige Preise hat“, sagt Wimmer. Bei bis zu 80 % liegt die Effizienz dieser „grünen Batterie“. 100 % Stromeinsatz für das Hochpumpen in die Stauseen liefern zu guter Letzt etwa 80 % an gewonnenem Strom durch das Ablassen des Wassers in die Turbinen.

833 MW bietet die Speicherwerksgruppe Kaprun nach dem Ausbau von Limberg II, das ist mehr als eine Verdoppelung der Kapazitäten. Strom also für 55 000 Haushalte. Oder umgekehrt: Etwa 90 Windräder mit Spitzenleistung von 5 MW, wie sie etwa beim Nordsee-Windpark Alpha Ventus eingesetzt werden, pumpen den Mooserboden auf.

Leicht nach vorne gebeugt, hält ein Arbeiter im rot-grauen Anzug das schrill zischende Werkzeug, die Trennhexe, an ein gebogenes Metallrohr. Ein paar Meter weiter und 2 m tiefer im Berg steigt der Geruch frisch gestrichenen, grauen Schutzlacks beißend in die Nase. Wie überdimensionale Zähne ragen die Zacken des Antriebswerks im Kreis in den Raum hinein.

Ein Labyrinth aus Kammern, Gängen und Etagen: Hier dominieren blau gestrichene Rohre, wieder ein Raum weiter gelbe und grüne. Dunkel ist dann eine Ecke weiter das Gestein. Die grünen Stickstoffbehälter ummanteln die zukünftige Höchstspannungsleitung, treiben später den Strom hinab ins Tal durch Oberlandleitungen – und nah an einigen Siedlungen vorbei. Und genau das ärgert den Bürgermeister einer betroffenen Gemeinde.

Mit einem Rasenmäher hat Josef Guggenberger auf seiner Wiese schon 2007 vorgeführt, was eine 380-KV-Leitung für die 1700-Seelen-Gemeinde Berndorf bei Salzburg bedeutet: Gelblich-grün markieren zwei 27 m lange Querbalken das Feld. 51 m hoch fräst sich der Mast symbolisch in die Wiese. Das angrenzende Einfamilienhaus wirkt dagegen geradezu winzig. Guggenberger ist Bürgermeister des Dorfes: „Es gibt erprobte Alternativen zu den Überlandleitungen“, sagt er, „die Leitungen prägen und stören unsere Landschaft.“

Er wünscht sich unterirdische Leitungen anstelle der oberirdischen. Bis vor das Verwaltungsgericht zog die Gemeinde dafür, scheiterte aber. Der Landwirt ärgert sich, dass die Verbund AG seinerseits nicht über den Sinn der Anlagen aufgeklärt habe: „Uns gegenüber wurde behauptet, dass im Ort das Licht ausgeht, wenn nicht die alten Leitungen durch die leistungsstärkeren ersetzt werden“, sagt Guggenberger.

Mittlerweile sind die alten, kleineren Leitungen außer Betrieb, die neue 380-KV-Leitung ist aber noch gar nicht am Netz. „Und trotzdem brennt bei uns noch das Licht.“ Guggenberger kann verstehen, dass im europäischen Stromnetz solche Übertragungskapazitäten nötig sind. „Ich unterstütze die Idee von Limberg II“, sagt er. Aber es müsse auch genügend Geld vorhanden sein, um für die Anwohner eine verträglichere Lösung zu schaffen.

Kritik an Wasserkraft wird laut

Im ersten Teilabschnitt steht die Leitung kurz vor der Fertigstellung, im Januar 2011 wird sie in Betrieb gehen. Während der Protest hier eher Formsache ist, muss sich die Verbund AG im zweiten Teilabschnitt mit wachsendem Bürgerprotest auseinandersetzen. Dieser ist noch nicht genehmigt – und die Pläne der Verbund AG sind landauf, landab ein rotes Tuch.

Diese versucht auf solche Kritik zu reagieren: Als Ausgleich werden zumindest kleinere Überlandleitungen in der Erde verbuddelt. „Hunderte Kilometer alter Leitungen werden abgetragen“, sagt Wimmer. „Die Übertragungsleitungen sind notwendig, um das Netz stabil zu halten und Windenergie zu nutzen.“

Der Mann weist wie zur Bestätigung auf die nagelneue Turbine von Limberg II. Am 4. Dezember geht sie ans Netz, genau am Sankt-Barbara-Tag, der Schutzheiligen aller Bergarbeiter. „Davor liegt ein komplexer Stufenplan“, erklärt Wimmer, „man kann hier nicht einfach einen Knopf umlegen und dann geht es los.“

Ab Mitte 2011 liefert dann auch die zweite Maschine weitere 240 MW Strom. Und ist doch nur ein Vorbote für weitere, ähnliche Projekte. 100 m weiter entfernt ist das identische Limberg III geplant.

„Es ist eine seit 60 Jahren bewährte Technologie“, sagt Karl Wimmer, „die kann man hier noch öfters einbauen.“ Und er lächelt verschmitzt: „Irgendwann bei Limberg V ist dann aber zumindest hier in Kaprun Schluss.“ 

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