- Foto: Jörg Stroisch

Melodienspiel im scharfen Nordwind

Leichte Musik dringt durch die dicken Mauern des Klosters. Bernat Nebot spielt Klavier. Leidenschaft durchzuckt den kleinen Mann, wild schwingt er die Ellenbogen nach hinten, zieht die schwarzen Augenbrauen dabei eng zusammen. Und strahlt. Und singt. Im Kloster „Nostra Senyora de Cura“ steht für einen Moment die Zeit still, schweben vom Wind getragen die Melodien den 548 Meter hohen Tafelberg „Puig de Randa“ hinab. Mallorca ist auch eine Insel der Besinnlichkeit. Eine Reise zu den Klöstern.

Auf Mallorca gibt es noch zahlreiche bestehende Ordensgemeinschaften, viele Klosterbauten sind echte Besuchermagneten. Sogar für berühmte Persönlichkeiten. So lebte im Winter 1838/1839 in der Kartause von Valdemossa Frederic Chopin. In einer kleinen, kargen Klosterzelle. Gerade in den Sommermonaten wird es hier richtig drängelig, jährlich kommen etwa 300.000 Besucher hierhin. Im Tal der Serra Tramuntana liegt das Kloster Lluc, wo ein bekehrter Hirtenjunge der Sage nach eine Madonna aus Sandstein fand. Weitere Klöster: Ermita de la Victoria auf der Halbinsel La Victoria, Alcúdia, die Ermita de Nostre Senora de Bon Amy bei Petra oder auch die Ermita del Puig de Maria in Pollença. Viele weitere christliche Ordensgemeinschaften hinterlassen sichtbare architektonische Markierungen.

Hotel im Kloster

Der typische Mallorca-Kalkstein. Rechts ist wie eingelassen die Rezeption. Links ein helles Spiegelregal mit Schnaps, Whisky, in der gleichen Farbe, wie der Mallorca-Sandstein. Klar, braun, rot. Ein Hotel. Mit vielen Ecken, Steinstufen bergab, ein großer Raum. Links herum. Steinstufen bergauf, ein Apartment. Fast schwarze Holzbalken unter der weiß getünchten Decke. Ein Teil des Speisesaals ist durch eine Falttür abgetrennt. Im Hintergrund surrt laut ein Kühlregal für Wein, daneben ein Kamin. In der Mitte ein großer, ovaler Tisch für 14 Personen. Hier wird getrunken und gespeist. Heute. Vor ein paar Jahren noch schliefen hier die Nonnen des Franziskaner-Ordens, eng an eng, nur durch weiße Vorhänge voneinander getrennt. „Die Betten habe ich an meine Angestellten verschenkt“, erinnert sich Manuel Salamanca, Hoteldirektor des „Es Reco de Randa“. Die Holzdecke habe ich bewusst nicht gewechselt“, sagt der neue Chef des Hauses. „Das ist typisch mallorquinisch, ein einfaches Dorfhaus. Diese Atmosphäre gefällt mir.“ Das Hotel liegt im kleinen Dorf Randa. Ab hier geht es dann drei Stunden und drei Klöster den Berg hinauf.

Wanderung bergauf

Im Sommer nehmen 1.000 Personen pro Tag den Weg von Randa den Berg hinauf. Die Straße entlang ist die erste Station die verlassene Einsiedelei „Nostra Senyora de Gràcia“, gegründet 1440. Die steilen Überhänge im Fels sind durch Drahtgeflechte gesichert, das weiß getünchte Kloster ohne Außenfenster klebt wie ein Schwalbennest an diesem Hang. Weiter bergauf. Etwa nach einem Kilometer führt nach rechts ein Weg in den Wald hinein. Hier ist die Einsiedelei von Sant Honorat, schon seit 1890 wird sie von den Mönchen der Kongregation der Heiligen Herzen bewohnt. Das Plateau ist wesentlich größer, eine kleine Kapelle und ein weiträumiges Klostergelände gehören dazu.

Ramon Llull – katalanischer Gelehrter und Querdenker

Auch Ramón Llull soll der Überlieferung nach im 13. Jahrhundert diesen Weg genommen haben. Der vom Lebemann zum Gläubigen Bekehrte hatte hier in einer Höhle seine Erleuchtung. Er predigte Zeit seines Lebens die Aussöhnung zwischen Juden, Mauren (Arabern) und Christen. Nicht mit dem Schwert, wie seinerzeit üblich, wollte er zum Glauben bekehren, sondern mit Hilfe einer Denkmaschine, der Ars Magna. Die Apparatur mit drei Rädern sollte mechanisch und logisch theologische Fragen beantworten. Der Inselheilige schrieb auch etwa 250 Bücher und hat für die katalanische Sprache deshalb die gleiche Bedeutung wie Martin Luther für das Deutsche. Und machte sich dabei innerhalb der katholischen Kirche nicht unbedingt beliebt: Mehrfach – in unterschiedlichen Jahrhunderten – wurden seine Weisheiten auf den Index gesetzt. Nicht umsonst sind es vielleicht gerade die Franziskaner, hier in der Ausprägung des Regulierten Dritten Ordens (auch Bußorden genannt) von Franz von Assisi, die es sich auf der Spitze des Berges zur Aufgabe gemacht haben, an ihn zu erinnern.

Einige Meter höher. Die Bäume verschwinden, karge Kalksteinsteppe mit größerem Buschwerk. Wie überdimensionale Mistgabeln ragen quer verstrebten Masten mit ihrer Haube aus dünnen Antennen in den Himmel. Ein weißer Fußball, groß wie ein Heißluftballon. Sie kündigen das Ende an, das Ende des Berges. Auf 548 Metern Höhe stellen die Telekommunikationseinrichtungen die einzigen Hochgewächse. Fast. Im Innenhof des Klosters „Nostra Senyora de Cura“ stehen uralte Steineichen, prächtig fächern sie ihr Laub- und Astgeflecht mindestens 20 Meter in die Breite. Und blicken über das weite Tal bis zum Meer. Und hinweg über 36 Dörfer bis zur Bergkette Tramuntana im Westen. Auch Bruder Bernat mag das Panorama. Auf seiner Terrassen im Konvent sitzt er am liebsten: „Da fühle ich mich der Natur verbunden, es ist einfach ein himmlischer Ausblick“, sagt der agile Fromme. Und wenn sich dann der Tag langsam dem Ende nähert und die meisten Touristen schon lange mit dem Auto wieder bergab gefahren sind, dann sitzt der Bruder an dem Flügel, an dem der Lack an den Ecken schon abblättert. Und strahlt. Und singt. Und der Wind fegt mystisch die letzten Melodien seines Spiels durch die dicken Mauern hindurch den Tafelberg hinab.

Dieser Artikel bei Der Standard Für Der Standard schreibt das Journalistenbüro Artikel für das Ressort Reisen.