Tränen im Senf

Berend und rührt dabei mit einem riesigen Holzlöffel in dem Bottich herum, hebt immer wieder die schwarz-gelbe Masse an. „Je mehr ich rühre, desto besser wird er.“ Groningen im Nordosten der Niederlande ist bekannt für diesen groben Delikatessensenf. Und auch für die quirlige Innenstadt mit Kunst und Kneipen.

Berend und rührt dabei mit einem riesigen Holzlöffel in dem Bottich herum, hebt immer wieder die schwarz-gelbe Masse an. „Je mehr ich rühre, desto besser wird er.“ Groningen im Nordosten der Niederlande ist bekannt für diesen groben Delikatessensenf. Und auch für die quirlige Innenstadt mit Kunst und Kneipen.

Der Dieselmotor rattert laut. An einem langen Riemen dreht die Kurbel den Sandstein unaufhaltsam. Immer feiner wird das Korn. Berend van der Veen kippt die Senfkörner aus großen Tüten hinein. Die Senffabrik Abrahams Mosterd Makerij in Eenrum ist traditionell: Der Senf ist grob, die schwarzen und gelben Körner sind sichtbar. In den Geschmacksrichtungen normal, Honig und Knoblauch gibt es ihn hier. Groningen ist bekannt für seinen Grobsenf. Van der Veen reibt die Körner in der Hand, leicht fettig ist das gelb-grüne Korn. „Aber das schwarze Korn ist die schwarze Seele des Senfs“, sagt Berend. Es ist sehr scharf, ätherische Öle werden schon beim bloßen Reiben freigesetzt. Die Senfkörner kamen dabei früher aus dem Norden Hollands. Essig ist die zweite wichtige Substanz, dazu Wasser, Salz und Kräuter. Natürlich ist die korrekte Kombination ein Geheimrezept. In einem riesigen Bottich aus Holz wird alles zusammen geschüttet. 72 Tage reift der Senf dann, wird regelmäßig gerührt. Und ist hinterher für ein Jahr haltbar.

Senftradition in Groningen

Dass der Senf in Groningen produziert wird, hat Tradition: Ein Farmer war 1895 Mitbegründer der Marne Senffabrik, wollte hier seine Senfkörner verarbeiten lassen. Auch heute hat die Senfproduktion noch einen gewissen Rang: Die Marne Mostert Fabrik beschäftigt etwa 40 Personen, 15.000 Tonnen Senf oder etwa 14 Millionen Gläser kommen von hier. Der Marktanteil liegt in den Niederlanden bei 60 Prozent. Neben seiner Präsenz in praktisch allen niederländischen Supermarktketten wird der Senf auch weltweit exportiert. „Wir gehören zu den fünf wichtigsten Senffabriken in Europa“, sagt Peter Kaiser, Managing Director von Marne. 
Und als Museumsbetrieb ist Abrahams Mosterd Makerij in Eenrum weiterhin in Betrieb. Groningen und die umliegende Provinz profitieren also noch immer von der Delikatesse. In vielen der Kneipen und Restaurants der Stadt – und davon gibt auch wegen der vielen Studenten in der Innenstadt etwa 200 auf einem Quadratkilometer – wird so die typische Groninger Suppe serviert.

Senfsuppe als Traditionsgericht

Etwa im „Eetcafé t‘ Zwarte Schaap“: Gedämpftes Licht, in großen weißgetünchten Zylindern scheinen Glühbirnen wie Fackeln von den Wänden. Rote Plüschvorhänge, Holzbohlenboden. Eine lachende Geburtstagsgesellschaft am langen Holztisch gegenüber, leise Popmusik. Ein typisches niederländisches Restaurant ist das „Eetcafé t‘ Zwarte Schaap“, direkt am Kanalring um die Innenstadt Groningens gelegen. In einem hohen Teller serviert die blonde Kellnerin die Suppe. Scharf riecht sie, nach Essig. Eine typische Groninger Senfsuppe. Hier kostet die Vorspeise etwa fünf Euro. Und verbindet den leicht scharfen Geschmack mit körnigem, hartem Speck und frisch eingestreutem, altem Gouda. Die niederländische Küche serviert danach schnörkellos gut gebratenes Rumpfsteak und einen einfachen Salat. Die Senfsuppe ist ein lokales Traditionsgericht und gehört deshalb häufig zur Speisekarte der Groninger Restaurants. Häufig wird dabei der Senf von Abrahams Mosterd Makerij verwendet, den Berend van der Veen dort noch per Hand herstellt.

Hier in der Manufaktur wird die Geschichte der Senfproduktion erlebbar: In Abrahams Mosterd Makerij stehen viele der alten Geräte für die Senfproduktion in einem kleinen Museum. Früher wurde hier auch noch der Essig hergestellt, heute produziert Berend nur noch den Senf, 6.000 bis 7.000 Töpfe im Monat. Ein bis zwei Eßlöffel davon in heißes Wasser: ein Wundermittel gegen Blasen an den Füßen. Zwei bis drei Eßlöffel in die Gemüsesuppe: eine Delikatesse. Berend van der Veen von Abrahams Mosterd liebt die klebrig-scharfe Substanz. Der Groninger Grobsenf ist seine Passion. „Die armen Leute haben ihn früher gegessen, um das fette Essen abzubauen“, erzählt der Senfmeister. „Aber traditionell wurden auch die heilsamen Aromen des Senfs geschätzt.“ Berend van der Veen rührt abermals mit dem dicken Holzlöffel in der grobkörnigen Masse. Scharfe Dämpfe, Essig, steigt in die Nase. Er reibt sich die Augen – und weint dabei. „Gegen Schnupfen“, sagt der Senfmeister, „hilft unser Senf auf jeden Fall auch.“

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Für Zeit_online schreibt das Journalistenbüro Artikel in den Ressorts Finanzen und Reisen.