Wie berechnet man den Wert einer Immobilie?
Wie berechnet man den Wert einer Immobilie? - Foto: iStock.com/takasuu

Die Wege zum Immobilienwert

„Wenn ich meine Wohnung verkaufen würde, würde ich dafür viel Geld bekommen.“ Natürlich ist das aus Sicht des Wohnungsbesitzers eine seriöse Aussage, denn der Immobilienmarkt boomt und der Nachbar hätte vor Kurzem seine Immobilie auch fast für viel Geld verkauft. Leider ist es nicht ganz so einfach – eine Annäherung an den vermeintlichen und tatsächlichen Wert einer Immobilie.

In Kombination mit der ebenso einfachen wie falschen Reduzierung der Argumentation für einen Immobilienkauf auf das Schlagwort „Kaufen statt mieten“ gehen auch in Deutschland – wer sagt denn, dass dies ein rein spanisches oder amerikanisches Problem ist – Verbraucher hohe Risiken beim Erwerb einer Immobilie ein.

Immobilienschätzung und -verfahren im Überblick

Dabei hätte ein potenzieller Immobilienkäufer oder ein gewillter Immobilienverkäufer viele Möglichkeiten, sich einen mehr oder minder gesicherten Eindruck vom Wert der Immobilien zu verschaffen. Es gibt hierfür mehrere Wege und Methoden:

  • Hörsensagen: Der Nachbar hat eine Immobilie zu einem bestimmten Preis verkauft.
  • Maklerformel: Der Wert einer Immobilie wird grob anhand der Jahreskaltmiete berechnet.
  • Vergleichswertschätzung: Zum Beispiel gibt es verschiedene Tools im Internet, die (mehr oder minder transparent) zum Beispiel die Inseratpreise großer Immobilienportale analysieren.
  • Eigene Markrecherche: Solche Inseratpreise lassen sich natürlich auch gut tabellarisch erfassen und analysieren. Hierzu zählt aber auch schon das Studium verschiedener Marktberichte.
  • Immobilienbewertung: Dies beschreibt die formelle Methode nach Immobilienbewertungsverordnung (ImmoWertV).

Letztendlich gibt es auch tatsächlich keine bessere oder schlechtere Herangehensweise, denn es hängt immer davon ab, was nun die konkrete Motivation des Verbrauchers ist, eine Aussage über den Wert seiner Immobilie zu machen. Und da ist es dann ganz legitim, eine Kosten-Nutzen-Abwägung zu machen, und danach zu entscheiden, welche Methode Sinn macht.

Wer einfach nur ein bisschen angeben will oder das Bedürfnis hat, sich selbst grob der Sinnhaftigkeit des eigenen Immobilieninvestments zu versichern, für den reicht völlig die Methode „Hörensagen“ aus. Sie ist in ihrer Aussagequalität allerdings weit davon entfernt, auch nur annähernd einen realistischen Preis zu benennen. In eine ähnliche Kategorie fallen Fragen wie: „Du bist doch Immobilienexperte; ich habe eine Wohnung für den Preis von x in y gesehen. Ist das ein fairer Preis?“ Eine seriöse schnelle Antwort darauf kann niemand geben.

Die Maklerformel heißt nicht umsonst so: Sie ist eine sehr grobe Pi-mal-Daumen-Einschätzung des Maklers für den Verkaufspreis eines ertragsorientierten Objekts. Und wird außerdem auch gerne von Verkäufern und Käufern am Ende eines Verkaufsprozesses als Benchmark für den eigenen Verkaufserfolg oder für das (vermeintliche) Schnäppchen verwendet. Interessant dabei: Sie liefert bereits erstaunlich gute Anhaltspunkte für einen tatsächlichen Verkaufspreis – hier eine Tabelle, wie die Berechnung funktioniert:

Matrix: Lage- und Zustandsfaktoren laut Maklerformel bei einem ertragsorientierten Objekt

Zustand/LageEinfache LageMittlere LageGute LageSehr gute Lage
Schlechter Zustand10111213
Normaler Zustand11121314
Teilweise modernisiert12131415
Komplett modernisiert13141516
( Aus „Immobilien bewerten leicht gemacht“ (Jörg Stroisch))

Bei der Maklerformel wird die Jahreskaltmiete zugrunde gelegt:


Jahreseinnahmen × Lage- und Zustandsfaktor
=Verkehrswert/Kaufpreis

Wenn nun die Maklerformel auch noch um eine weitere Recherche ergänzt wird, etwa über Vergleichstools im Internet in Kombination mit einer eigenen Marktrecherche und einer individuellen Inseratspreis-Übersicht, ist die Aussagekraft schon sehr gut. Zwar ist dies nicht unbedingt mit Kosten, aber doch mit einem hohen Eigenaufwand verbunden.

  • Für den Immobilienkäufer bieten diese Methoden einen Rahmen, um einzuschätzen, ob der offerierte Preis einer Immobilie den marktüblichen Rahmen sprengt – und schon kann die sehr wichtige Frage nach dem Warum gestellt werden. Oder umgekehrt gesprochen: Es macht nicht bei allen 100 im Ort verfügbaren Objekte Sinn, eine teure Immobilienbewertung zu beauftragen, um den tatsächlich gesicherten Wert jedes einzelnen Objekts zu erfahren.
  • Für den Immobilienverkäufer ist eine solche Analyse sinnvoll, um den Rahmen für den Verkaufspreis abzustecken.
  • Für professionelle Immobilienkäufer und -finanzierer ist es zudem wichtig, solche Tools zu kennen, denn darüber informieren sich die eigenen Kunden – und ist immer gut, sich Argumente zu überlegen, warum denn der Preis des eigenen Angebots oder die Errechnung des Beleihungswerts von solchen Zahlen abweicht.

Beispielerhebung für eine Kaufpreis-/Inseratspreissammlung

Mithilfe der Medianberechnung und der Standardabweichung kann ein durchschnittlicher Quadratmeterpreis etwa für einen Stadtteil erstellt werden (Beispielaufstellung aus „Immobilien bewerten leicht gemacht“):

Für die Medianberechnung müssen die Werte der Größe nach geordnet werden:

  • Bei einer ungeraden Gesamtanzahl n aller Merkmale gilt folgende Formel: Median m = x(n + 1)/2
  • Bei einer geraden Gesamtzahl n aller Merkmale gilt folgende Formel: Median m = [xn/2 + x(n/2) + 1] / 2

Standardabweichung: s = √ [1 / (n – 1) × ∑(x – mx)2] – Hier gibt n die Anzahl der Merkmale an und x den Wert des Merkmals.

Beispieldatenreihe für eine Immobilie (Quadratmeterpreise): 1.025 EUR, 1.032 EUR, 1.230 EUR, 1.340 EUR, 1.360 EUR, 1.333 EUR, 1.115 EUR.

Geordnet ergeben sich nun die Werte: x1 = 1.025, x2 = 1.032, x3 = 1.115, x4 = 1.230, x5 = 1.333, x6 = 1.340, x7 = 1.360.

Insgesamt wurden sieben Quadratmeterpreise berechnet, deshalb gilt: n = 7, es handelt sich um eine ungerade Merkmalsanzahl.

Entsprechend der Formel m = [x(7 + 1) / 2] = x4 = 1.230 ergibt sich daraus ein Median von 1230 EUR/qm.

Die Standardabweichung berechnet sich wie folgt:

s = √ [1 / (7 – 1) × ∑(x – mx)2]

= √ [1 / 6 × [(1.025 – 1.230)2 + (1.032 – 1.230)2 + (1.115 – 1.230)2 + (1.230 – 1.230)2 + (1.333 – 1.230)2 + (1.340 – 1.230)2 + (1.360 – 1.230)2]]

= √ [1 /6 × [(–205)2 + (–198)2 + (–115)2 + (0)2 + (103)2 + (110)2 + (130)2]]

= √ [1 / 6 × [134.063]

= √ 22.344

= 149,5

Die Standardabweichung beträgt also etwa 150 EUR. Sie zeigt eine relativ enge Zahlenreihe an.

Das eigene, anvisierte Objekt hat einen Quadratmeterpreis von 1.250 EUR. Es kostet also etwas mehr als der Durchschnitt, bewegt sich – wie es die Standardabweichung anzeigt – aber im normalen Rahmen.

Formelle Immobilienbewertung

Spätestens dann, wenn es für den Käufer konkreter wird, er also ein oder mehrere Objekte ganz konkret im Fokus hat, wird es Zeit, die Expertise eines Sachverständigen hinzuzuziehen. Auch für den Verkäufer ist das manchmal unumgänglich, wenn zum Beispiel im Falle einer Scheidung oder einer Vererbung ein gesichert ermittelter Immobilienwert benötigt wird. Während die vorher genannten Methoden eher den Charakter von Schätzungen haben, ist die Preisermittlung einer Immobilie nach Immobilienwertverordnung (ImmoWertV) durch entsprechend ausgebildete Gutachter im eigentlichen Wortsinn eine Immobilienbewertung.

Wer eine echte Bewertung durch einen Immobiliensachverständigen benötigt, muss dafür zahlen. Die Preise richten sich dabei nach Aussagequalität und Formalität des Gutachtens. Üblich sind zum Beispiel:

  • Sachverständigenmeinung: Ein Sachverständiger macht anhand einer Besichtigung und einer formellen Berechnung eine Aussage über den Preis und den Zustand einer Immobilie. Er erstellt aber kein formelles Gutachten. Hier wird häufig nach Stunden abgerechnet.
  • Formelles Immobiliengutachten: Der Gutachter erstellt ein formelles Gutachten. DiePreise orientieren sich in etwa an der HOAI für Architekten (die allerdings nicht mehr verpflichtender Preisrahmen ist). Ein solches Gutachten kann schon etliche hundert Euro kosten. Zu unterscheiden ist hier auch noch zwischen Gutachten von „freien“ Gutachtern und von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, deren Gutachten auch gerichtsfest sind.
  • Gutachten durch den Gutachterausschuss: Kommunen beschäftigen ein Gremium an Immobiliengutachtern und Marktexperten, die unter anderem auch für die Ermittlung der Bodenrichtpreise zuständig sind. Zum Beispiel im Streitfall – etwa dann, wenn vor Gericht zwei konkurrierende Gutachten gegenüber stehen – ermittelt ein Gremium aus mehreren Personen den Wert einer Immobilie. Ein solches Gutachten wird nach den kommunal festgelegten Sätzen bezahlt – und kann schnell mehrere Tausend Euro kosten.

In allen drei Fällen haftet ein ordentlich beauftragter Gutachter auch für seine Aussagen; auch deshalb schon wird ein seriöser Immobilienexperte niemals leichtfertig eine Aussage über einen „fairen Preis“ aufgrund einer einfachen Frage machen.

In der Verkehrswertermittlung nach ImmoWertV kommen drei formelle Verfahren zum Einsatz:

  • Vergleichswertverfahren: Dabei wird eine ähnliche Immobilie oder ein ähnliches Grundstück gewählt, dessen Preis in dieser Lage bekannt ist. Das ist zum Beispiel der Fall bei Eigentumswohnungen in einer Wohneigentumsanlage, wo es viele ähnliche Wohnungen gibt. Auch der Bodenrichtpreis, den die Gutachterausschüsse zur Verfügung stellen, ist ein Vergleichswert für Grundstücke.
  • Ertragswertverfahren: Hier ist der Mieterlös der Immobilie die Grundlage. Entsprechend wird das Verfahren vor allem bei vermieteten Immobilien angewendet.
  • Sachwertverfahren: Wenn der Wert der Bausubstanz als Grundlage dient, spricht man vom Sachwertverfahren. Dieses findet häufig Anwendung bei selbst genutzten Immobilien.

Vergleichwertverfahren für Grundstücke und Eigentumswohnungen

Die ImmoWertV sieht das Vergleichswertverfahren als bevorzugtes Verfahren zur Wertermittlung einer Immobilie an. Grundlage ist der sogenannte Bodenrichtwert. Diesen ermittelt der Gutachterausschuss anhand von tatsächlichen Verkaufspreisen und er wird für unbebaute Grundstücke ausgewiesen. Damit dieser Wert angenommen werden kann, müssen aber einige Faktoren weitestgehend mit dem Vergleichsgrundstück übereinstimmen, zum Beispiel:

  • Orts- und Grundstücklage
  • Bodenbeschaffenheit
  • Grundstückszuschnitt und -größe
  • Art und Maß der baulichen Nutzung, zum Beispiel auch Abstandsflächen und vorgeschriebene Bauweisen
  • Infrastruktur
  • Himmelsausrichtung
  • Bevölkerungsstruktur
  • Baulasten

Abweichungen davon sind zwar möglich, werden dann aber mit Zu- und Abschlägen bedacht. Auch bei bebauten Grundstücken ist ein Vergleichswertverfahren möglich. Hierzu müssen zusätzlich folgende Faktoren mit dem Vergleichsgrundstück übereinstimmen:

  • Gebäudealter
  • Gebäudeart
  • Gebäudegröße
  • Gebäudezustand, zum Beispiel auch der energetische Zustand

Sehr häufig gibt es eine so starke Übereinstimmung etwa bei Eigentumswohnungen in der Wohnlage.

Ertragswertverfahren für Immobilien als Kapitalanlage

Im Detail laufen verschiedene erhobene Faktoren in die Formel zur Immobilienbewertung nach dem Ertragswertverfahren ein:

  • Jahresrohertrag: Hierbei handelt es sich um die nachhaltig erzielbare Miete ohne die Betriebskosten.
  • Bewirtschaftungskosten: Von diesem Jahresrohertrag werden dann noch rechnerisch mehrere Kostenblöcke abgezogen: das Mietausfallwagnis mit zum Beispiel 2,5 Prozent der Mietroherträge, die Verwaltungskosten zum Beispiel mit pauschal 250 Euro pro Wohnung und die Instandhaltungskosten zum Beispiel mit 12 Euro pro Quadratmeter.
  • Aufsplitten in Boden- und Gebäudeanteil: Gutachter sind darüber hinaus verpflichtet, den Wert des Grundstücks separat zum Wert des Gebäudes auszuweisen. Sie berechnen ihn aus dem Bodenrichtwert. Seine Verzinsung wird von den Erträgen der Immobilie abgezogen.
  • Restnutzungsdauer: Auch die fiktive Restnutzungsdauer ist ein wichtiger Faktor der Immobilie.
  • Liegenschaftszinssatz: Der Liegenschaftszinssatz wird durch Anfrage beim Gutachterausschuss recherchiert. Er bildet die marktübliche Renditeerwartung ab und kann von Kommune zu Kommune sehr stark abweichen.
  • Ertragswert-Vervielfältiger: Mit der Restnutzungsdauer und dem Liegenschaftszinssatz wird dann den sogenannten Ertragswert-Vervielfältiger in der Tabelle in Anlage 1 zur Immobilienwertverordnung abgelesen.
  • Abzüge/Zuschläge: Ein Gutachter wird zudem einschätzen, ob etwa aufgrund der Lage, des Zustandes oder womöglich der im Grundbuch eingetragener Rechte des Hauses noch weitere, bisher nicht berücksichtigte Zu- oder Abschläge von diesem Wert notwendig sind.

Formel für das Ertragswertverfahren

Gebäuderohertrag

– Mietausfahlwagnis (= Gebäuderohertrag * 0,025)

– Verwaltungskosten (= Anzahl Wohneinheiten * 250 Euro)

– Instandhaltungskosten (= Wohnquadratmeter *12 Euro)

= Jahresreinertrag

– Bodenwertverzinsung (Anteil des Grundstücks am Jahresreinertrag)

= Gebäudeertragswert

* Ertragswert-Vervielfältiger (abhängig von Restnutzungsdauer und Liegenschaftszinssatz)

= Gebäudewert

Bodenwert

+ Gebäudewert

-/+ Ab- und Zuschläge durch den Gutachter

= Verkehrswert der Immobilie

Eine ausführliche Betrachtung dieses Verfahrens finden Sie im Steuer-Spezial 17-16.

Sachwertverfahren für selbst genutzte Immobilien

Zwar ist grob betrachtet vor allem der Wert der baulichen Substanz ein entscheidender Faktor für die Berechnung des Sachwerts. Allerdings gibt es hier viele korrigierende Faktoren, die eine Rolle spielen:

  • Normalherstellungskosten: Zentral sind die Informationen zu den Normalherstellungskosten eines Gebäudes. Derzeit gültig sind die NHK 2010. Da die Statistik für den Stichtag 2010 gilt, muss der hier verwendete Wert noch um die Baupreisentwicklung korrigieren werden, die über den Baukostenindex des Statistischen Bundesamtes abrufbar ist.
  • Baunebenkosten: Die Baunebenkosten werden meist als Pauschale von 15 Prozent der reinen Baukosten angegeben.
  • Außenanlagen: Die Außenanlagen werden häufig mit pauschal 3 Prozent der Baugesamtkosten berechnet.
  • Alterswertminderung: Ein entscheidender Faktor ist im Sachwertverfahren die Alterswertminderung der Immobilie. Ein Gutachter geht davon aus, dass ein Haus nur eine bestimmte Lebensdauer hat und davon zieht er dann die bereits genutzten Jahre ab, manchmal korrigiert um den Effekt einer Sanierung. Laut ImmoWertV muss dabei die lineare Formel angewandt werden. Um diesen Prozentbetrag muss dann der vorher ermittelte Zwischenwert des Hauses korrigiert werden.
  • Abzüge/Zuschläge: Schließlich führt der Gutachter noch auf Grundlage seiner eigenen Expertise Wertkorrekturen durch.

Formel für das Sachwertverfahren

Baukosten (abgelesen in der Regel für cbm umbauter Raum in den NHK und korrigiert um Baupreisindex)

+ Baunebenkosten (= 15 Prozent der Baukosten)

= Baugesamtkosten

+ Außenanlagen (= 3 Prozent der Baugesamtkosten)

= Herstellungskosten

– Alterswertminderung

= Zeitwert

+/- Zu- und Abschläge wg. besonderer Bauteile

= Gesamtbauwert

Bodenwert

+ Gesamtbauwert

+/- Zu- und Abschläge durch den Gutachter

= Verkehrswert im Sachwertverfahren

Eine ausführliche Betrachtung dieses Verfahrens finden Sie im Steuer-Spezial 14-16.

Zu- und Abschläge durch den Gutachter

In allen Wertermittlungsverfahren wird auch der Expertise des Gutachters einem wichtigen Raum zugebilligt. Manche Experten halten die Ausführungen, die Zu- und Abschläge vom Wert begründen, sorgar für die eigentlich wichtigen und interessanten Aussagen eines Gutachtens. Und in der Tat: Was nutzt es einem Immobilienlaien, einen guten Preis für eine Immobilie zu zahlen, wenn diese von Grund auf sanierungsbedürftig ist? Diese Zu- und Abschläge ergeben sich aus verschiedenen Punkten:

  • Zustand: Ein ganz wesentlicher Punkt ist sicherlich die Beurteilung und Einordnung des Zustandes einer Immobilie.
  • Eingetragene Rechte im Grundbuch und in anderen Verzeichnissen: Ein Bergschadensverzicht ist ebenso wertmindernd, wie zum Beispiel ein Wohnrecht. Auch Erbbaurechte sind oft kompliziert und deshalb wertschädlich.
  • Lage: Auch die Mikro- und Makrolage wird hier vom Gutachter möglicherweise noch einmal betrachtet. An manchen Orten entscheidet schon die Wahl der Straßenseite über den höheren oder niedrigeren Wert einer Immobilie.

Das Ergebnis: der Verkehrswert – aber dennoch nicht der Verkaufspreis?

Das Ziel eigentlich jeder Methode der Immobilienwertschätzung oder -ermittlung ist die Festlegung eines realistischen Marktpreises – oder Verkehrswertes – einer Immobilie. Allerdings gibt es verschiedene Faktoren, die dazu führen, dass selbst der formal errechnete Verkehrswert der Immobilienbewertung nach ImmoWertV nicht zwangsläufig dem Verkaufspreis entspricht; hier einige Beispiele:

  • Marktlage vor Ort: Zwar wird überall von boomenden Immobilienpreisen berichtet, allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Während es in einigen Ballungsräumen ausgesprochene Nachfragermärkte gibt, bei denen einige Experten auch schon von einer ungesunden Preisentwicklung – Stichwort „Immobilienblase“ – ausgehen, herrscht andernorts ein Überangebot. Zwar spiegelt sich das auch in den Bodenrichtpreisen und im ermittelten Verkehrswert wider; allerdings nutzt dem Verkäufer der ausgewiesene Verkehrswert herzlich wenig, wenn seine Immobilie dennoch aufgrund fehlender Nachfrage nahezu unverkäuflich ist.
  • Verhandlungsspielraum bei den Inseratpreisen: Entsprechend sind auch die Inseratpreise nur die halbe Wahrheit. Während mancherorts davon noch große Abschläge verhandelt werden können, gibt es andernorts einen regelrechten Bieterwettbewerb um Wohnungen und Immobilien.
  • Zu- und Abschläge : Gutachter müssen sich an formale Regeln halten; sie dürfen zum Beispiel nur die nachhaltig erzielbare Miete beim Ertragswertverfahren berücksichtigen oder den tatsächlichen Bausubstanzwert. Alleine das verhindert – zu Recht – in heißlaufenden Immobilienmärkten, dass der Verkehrswert in die gleichen astronomischen Höhen aufbricht, wie der Verkaufspreis. Der Gutachter quittiert aber besondere Entwicklungen oder Faktoren der Immobilie mit Zu- und Abschlägen. Diese Komponente basiert auf der Expertise des Gutachters. Und auch in diesem Berufszweig gilt: Drei Gutachter, vier Meinungen. Zum Teil – etwa bei einer Zwangsversteigerung – kann der Gutachter sich auch gar keinen vollständigen Eindruck von der Immobilie verschaffen und quittiert dies mit Abschlägen, die allerdings falsch sein können. Generell gilt: Abweichungen beim Verkehrswert von 10 oder 20 Prozent zwischen unterschiedlichen Gutachten sind keine Seltenheit.
  • Beleihungswert: Unabhängig davon bewerten auch Banken den Wert einer Immobilie ganz unterschiedlich. Und sie nehmen den Verkehrswert auch nicht als Grundlage für die Immobilienfinanzierung, sondern den sogenannten Beleihungswert. Je nach Institut wird dieser mit einem mehr oder minder großen Abschlag vom Verkehrswert vorgenommen.

Deshalb gilt auch die alte Weisheit: Solange eine Wohnung nicht tatsächlich verkauft wurde, sind Spekulationen darüber, was man angeblich mit ihr an Verkaufspreis hätte erzielen können, unnötige Zeitverschwendung.

Und die formale Immobilienbewertung widerlegt auch ein weiteres Märchen eindeutig: Alternde Immobilien nehmen vom Prinzip her immer im Wert ab, und nicht zu, wie es mancher sich gerne einredet. Dafür sorgt beim Ertragswertverfahren die Restnutzungsdauer und beim Sachwertverfahren die Alterswertminderung.

r immobilien intern verfasst der Immobilien-Journalist Jörg Stroisch regelmäßig sehr umfangreiche Spezial-Artikel. Dieser Artikel ist dort im Herbst 2017 erschienen.