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Die korrekte Berechnung der Wohnfläche ist in vielen Fällen wichtig.

​Zukunftssicher mit barrierefreier Immobilie

Für Vermieter ergibt sich durch den demografischen Wandel eine Vermarktungschance: Für altersgerechtes Wohnen – sprich: barrierefreie oder wenigstens -arme Wohnungen – besteht immer mehr Bedarf, der bisher nicht annähernd durch das Angebot gedeckt wird. Und die Investitionen werden sogar gefördert.

Die Statistik ist seit Jahrzehnten eindeutig: Die deutsche Gesellschaft wird immer älter, die ursprüngliche Alterspyramide mit den Kindern am Fuß und den Alten an der Spitze ist mittlerweile eher ein zu dick geratenes Ampelmännchen mit ausgestreckten Armen etwa bei der Altersgruppe 45 bis 50 Jahren. 20,8 Prozent der Bevölkerung sind über 65 Jahre, wie das Statistischem Bundesamt in der Studie „Die Generation 65+ in Deutschland“ 2015 feststellt. Zwar wird diese Generation auch immer agiler und mobiler – Stichwort „Silver-Surfer“ und „Best Ager“.

Dennoch ist und bleibt gerade der Verbleib auch bei Pflegebedürftigkeit in der eigenen Wohnung („Einen alten Baum verpflanzt man nicht“) ein sensibles Thema – bei dem es noch dringenden Handlungsbedarf gibt. Denn es gibt einfach zu wenig Wohnungen und Häuser, die dies auch ermöglichen. Die Prognos AG hat im Auftrag der KfW die tatsächlich vorhandenen barrierefreien Wohnungen und den Bedarf geschätzt:

Tabelle: Prognos AG im Auftrag der KfW, 2014 (Auszug):


20132030
Angebot an altersgerechten Wohnungen700.1001.342.500
Ambulante Pflegebedürftige (mit Leistungsanspruch aus Pflegeversicherung)1.820.0002.350.100
Personen über 65 Jahren mit Bewegungseinschränkungen(ohne stationäre Pflegebedürftige)2.750.8003.592.400

Die Schere aus Angebot und potenzieller Nachfrage geht also sehr weit auseinander. Gerade – aber nicht nur – in Lagen, wo die Vermietung einer Wohnung oder eines Hauses durch einen Angebotsüberhang schwierig ist, lohnt sich deshalb womöglich die Spezialisierung auf die Zielgruppe älterer Menschen.

​DIN 18040-2 als Ausgangspunkt

Natürlich gibt es für die Barrierefreiheit auch Normen. Hier gibt aktuell die DIN 18040 Standards vor:

  • DIN 18040-1: für öffentlich zugängliche Gebäude;
  • DIN 18040-2 für Wohnungen;
  • DIN 18040-3 für den öffentlichen Verkehrs- und Freiraum.

Für den Hauseigentümer relevant ist also die DIN 18040-2; sie beinhaltet eine Reihe von Festlegungen:

  • Kontrastreiche Gestaltung, etwa in Bädern oder Treppenhäusern;
  • „Zwei-Sinne-Prinzip“ bei Bedienelementen, beispielsweise Türklingeln mit einer taktilen und einer akustischen Information;
  • Bei Bewegungs- und Verkehrsflächen: U. a. zwischen 120 und 180 cm Mindestbreite und -länge zum Beispiel bei Schiebetüren, Rampen oder Wegen;
  • Bei Gehwegen und PKW-Stellplätzen: U. a. Mindestbreiten und -längen von 120 bis 150 cm, bei Parkplätzen sogar 350 cm Breite und 500 cm Länge;
  • In Gebäuden: U. a. ein beidseitiger Handlauf an Treppen, Orientierungshilfen an den Einzelstufen und Treppen sowie Mindestbreiten und -höhen von 150 cm vor Aufzügen, Zwischenpodeste bei Rampen und 90 cm Mindestdurchgangsbreite bei Türen;
  • In Wohnungen: U. a. Mindestbreiten und -längen von 90 cm bis 150 cm auf Fluren, Bewegungsflächen, Freisitzen oder vor Möbeln, seitlich anfahrbares Waschbecken, nach außen aufschlagende und von außen entriegelbare Sanitär- und Toilettenräume, niveaugleiche Dusche und schwellenloser Zugang zum Haus und zur Wohnung.

Je nachdem, an welchem Gewerk gearbeitet wird, gibt es zahlreiche weitere Normen und technischen Empfehlungen („Stand der Technik“), die ein Handwerker bei der Umsetzung beachten muss; dies gilt zum Teil ohne konkrete Beauftragung, zum Teil nur mit Auftrag. Eine Handlungsempfehlung bekommt dann stärkere Wirksamkeit, wenn bestimmte Gütezeichen dafür sprechen – dabei gibt es mehrere Quellen:

  • Technische Handlungsempfehlungen der Handwerksinnungen
  • Weitere DIN-Normen zu speziellen Bereichen
  • Gütezeichen wie das RAL-Gütezeichen
  • VDI-Richtlinien wie die VDI-Leitlinie 6008, Blatt 1 bis 3
  • Generelle Empfehlungen und Zertifikate zum barrierefreien Bauen

So ist das manchmal „technisch Mögliche“ nicht das barrierefreie Optimale. Auch deshalb ist es sinnvoll, sich über die DIN hinaus gezielt und individuell Gedanken um eine Verbesserung der Barrierefreiheit in einer Bestandsimmobilie zu machen. Vor allem auch dann, wenn Fördermittel beansprucht werden sollen.

​Vergleich DIN/Landesbauordnung

Neben der DIN und auch den weiterführenden Empfehlungen anderer Organisationen spielt gerade im Neubau auch die Landesbauordnung eine wichtige Rolle. Die Landesbauordnungen variieren vor allem in den allgemeinen Anforderungen, ab wann barrierefreie Wohnungen zwingend notwendig und wie konkret die Aufzugsanlagen zu betrachten sind. Präzisiert werden die Anforderungen in den technischen Ausführungsbestimmungen. So stellen die Bestimmungen der Länder sozusagen ein Mindestmaß an Barrierefreiheit dar:

  • In den Bundesländern ist unterschiedlich geregelt, ab wann eine Mindestanzahl an barrierefreien Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus vorgeschrieben ist. Das kann bei Häusern ab zwei, vier oder sechs Wohnungen der Fall sein.
  • Fast immer müssen in diesen Wohnungen dann Wohn-, Schlafräume, Toilette, ein Bad, Küche oder Kochnische barrierefrei sein, manchmal auch der Freisitz und der Raum für eine Waschmaschine.
  • Die Begriffe „zugänglich“, „barrierefrei“ und „barrierefrei nutzbar“ unterscheiden sich darin, was sie bedeuten und welche Anforderungen demnach erfüllt sein müssen. Es ist eben eine andere Betonung: „Zugänglich“ muss nicht per sé barrierefrei sein, kann also zum Beispiel von einem Rollstuhlfahrer nicht unbedingt befahren werden. „Barrierefrei“ bedeutet im Extremfall, dass keine Schwelle vorhanden ist, aber nicht jedes Möbelstück gut nutzbar ist.
  • Fast immer wird ab einer Gebäudehöhe von 13 Metern davon ausgegangen, dass mindestens ein Aufzug vorhanden sein muss. Unterschiedliche Regelungen gibt es dazu, ob Rollstuhl, Trageliege, Kinderwagen und Lasten damit transportierbar sein müssen. Auch dazu, ob dies selbstständig möglich sein muss. In manchen Landesbauordnungen sind dann die Mindestmaße für solche Fälle festgeschrieben, manchmal enthalten sie Regelungen zu Rampen oder Bewegungsräumen vor dem Aufzug.
  • In seltenen Fällen kommt in den technischen Baubestimmungen nicht die aktuelle DIN 18040-2 zum Einsatz und zur Anwendung, sondern ihr Vorgängernorm, die DIN 18025.

Die Konsequenz: Wer als Bauherr „echte“ Barrierefreiheit erreichen will, muss mit seiner Baufirma und seinem Architekten in jedem Fall weit über die Landesbauordnungen hinausgehende Standards vereinbaren und umsetzen lassen.

​Besser für die Zukunft mitplanen

Ein Beispiel: In der Praxis wird ein Bauträger oder Architekt, der strikt nach den Landesbauordnungen verfährt, den Balkon mit einer klassischen Schwelle versehen und ihn womöglich kleiner gestalten, als es die DIN-Norm vorschlägt. In diesem Fall ist er für viele ältere Personen aber nur schwer nutzbar. Überhaupt nicht nutzen können ihn Personen, die sich nur noch im Rollstuhl sitzend bewegen können.

Und ein wichtiger Punkt ist auch immer wieder der Aufzug, nicht nur im Mehrfamilienhaus, sondern auch im Einfamilienhaus. Dieser ist mit extrem hohen Investitionen verbunden. Wer diese noch scheut, sollte aber auf jeden Fall darauf achten, dass er auch zu einem späteren Zeitpunkt leicht in die Immobilie integrierbar ist. Das ist dann eine reine Planungsaufgabe, die nicht die Kosten erhöht, aber die Immobilie in dieser Beziehung zukunftssicher gestaltet. Gerade im Einfamilienhaus muss es übrigens auch nicht unbedingt ein „echter“ Aufzug nach Aufzugsrichtlinie sein, sondern es reicht auch einer nach Maschinenrichtlinie. Die Vorgaben weichen stark voneinander ab – und wirken sich massiv auf die Anschaffungs- und Wartungskosten aus.

Tabelle: Aufzugsrichtlinie und Maschinenrichtlinie im Vergleich


AufzugsrichtlinieMaschinenrichtlinie
GrundlageRichtlinie 95/16/EGRichtlinie 2006/42/EG
Linkhttp://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31995L0016&from=DEhttp://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2006:157:0024:0086:de:PDF
KonformitätsüberprüfungDurch „benannte Stellen“Durch Hersteller
ErfassungDurch „benannte Stellen“Durch Betreiber
NotrufsystemVorgeschriebenIn Betreiberverantwortung
Prüfintervall24 Monate24 Monate bei Personenlift 48 Monate bei Treppenlift/Plattformlift über 3 Meter Höhe Keine Vorschrift bei Treppenlift/Plattformlift unter 3 Meter Höhe
Geschwindigkeit der AnlageÜber 0,15 m/SekundeUnter 0,15 m/Sekunde

Auch ein wichtiger Tipp: Die Haltegriffe an Toilette, Bad und Dusche – die schon ein bisschen den Charme von Altenheimen versprühen – müssen ja im eigenen Eigenheim nicht gleich mit der ersten barrierefreien Modernisierung umsetzt werden. Wer aber nicht darauf verzichtet, wenigstens die davor später notwendigen Verankerungen in den Wänden anzubringen, vergeudet eine wichtige Chance – die womöglich in wenigen Jahren erneut teure Umbauarbeiten notwendig machen.

Im weitesten Sinne kann unter der Schaffung von Barrierefreiheit auch eine Haussteuerung – etwa über BUS-Systeme – verstanden werden: Wenn die „intelligente“ Wohnung selbsttätig das Licht und die Rollladen steuert, ist das nur ein Schritt. Denkbar sind auch Überwachungssysteme etwa bei bettlägrigen Patienten oder auch einfach eine Mischung aus altersgerecht und komfortabel mit den verschiedenen Systemen, die unter dem Begriff „Ambient Assisted Living“ zusammengefasst sind.

​Förderprogramme zum Thema Barrierefreiheit

Um den Umbau und Neubau auch in Richtung Barrierefreiheit und -armut zu unterstützen, gibt es verschiedene Förderprogramme. Dabei kommen mehr Möglichkeiten in Betracht, als bei anderen Baumaßnahmen:

  • KfW-Förderung
  • Förderung der Bundesländer
  • Zuschuss der gesetzlichen Pflegeversicherung

Die KfW fördert vor allem den altersgerechten Umbau, hat dafür den Standard „Altersgerechtes Haus“ einwickelt. Die Vorgaben:

  • ein altersgerechter Zugang,
  • ein altersgerechtes Wohn- und/oder Schlafzimmer sowie eine altersgerechte Küche,
  • ein altersgerechtes Bad,
  • bestimmte Anforderung an die Bedienelemente (zum Beispiel Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit, Orientierung und Kommunikation).

Gefördert wird hier nicht nur der Umbau, sondern auch der Erwerb von barrierefrei saniertem Wohnraum. Sprich: Die Neubauförderung ist nicht vorgesehen. Das Programm kann ohne Probleme mit weiteren KfW-Darlehen kombiniert werden. Neben den reinen Umbauarbeiten, wird zum Beispiel auch die Beratung durch einen Sachverständigen gefördert. Der effektive Jahreszins beim Kreditprogramm 159 „Altersgerecht Umbau Kredit“ beginnt bei 0,75 Prozent Effektivzins (Stand: 20.02.2018). Es sind Laufzeiten von bis zu 30 Jahren möglich, dabei auch tilgungsfreie Jahre und eine Zinsbindung von fünf oder zehn Jahren. Der Kredit wird über den Finanzierungspartner beantragt.

Alternativ dazu kann auch ein Zuschuss ausgezahlt werden. Dafür stehen zwei Programme zur Verfügung. Beim Programm 455-B„Altersgerecht Umbauen – Investitionszuschuss: Barrierereduzierung“ bezahlt die KfW pro Wohneinheit einen Zuschuss, und zwar bei der Herstellung des Standards „Altersgerechtes Haus“ zwölf Prozent der förderfähigen Kosten, maximal 6.250 Euro je Wohneinheit. Oder bei Einzelmaßnahmen zehn Prozent der förderfähigen Kosten, maximal 5.000 Euro je Wohneinheit. Bei diesem Programm sind die Mittel derzeit ausgeschöpft, es kann aber sein, dass es dazu wieder Fördermittel im Verlauf des Jahres gibt. Zusätzlich dazu kann auch mit dem Programm 455-E „Altersgerecht Umbauen – Investitionszuschuss: Einbruchsschutz“ ein Zuschuss von bis zu 1.600 Euro für solche Maßnahmen beantragt werden. Beide Zuschüsse werden direkt bei der KfW online beantragt.

Außerdem haben die verschiedenen Bundesländer sehr unterschiedliche Programme aufgelegt, mit denen auch der barrierefreie Umbau oder Neubau gefördert wird, in der Regel im Rahmen des allgemeinen Wohnraumfördergesetzes. Teilnahmevoraussetzung für diese Programme sind aber zum Beispiel auch bestimmte Einkommensgrenzen. Manche Bundesländer bieten über ihre Investitionsbanken aber auch spezielle Programme zur Barrierefreiheit.

Oftmals vergessen wird, dass auch die gesetzliche Pflegeversicherung Betroffenen Zuschüsse gewährt. Sie sind abhängig von der Genehmigung einer Pflegestufe und sollen generell die Pflege im häuslichen Bereich erleichtern. Der Antrag wird bei den zuständigen gesetzlichen Krankenkassen gestellt. Gesetzliche Grundlage für den Zuschuss ist § 40 11. Sozialgesetzbuch (SGB). Der Zuschuss pro wohnraumverbessernder Maßnahme beläuft sich für die Pflegestufen 0 (mit Demenz), I, II und III auf 4.000 Euro. Bei mehreren zusammenwohnenden Anspruchsberechtigten kann sich dieser Betrag erhöhen.

​Positive Effekte durch die Barrierefreiheit

Ein barrierefreier Umbau oder Neubau kann für die Immobilie, deren Bewohner und deren Besitzer ganz unterschiedliche positive Effekte haben. Im Idealfall ist der Bewohner zufrieden und die Immobilie lässt sich besser und teurer vermarkten.

Es hat sowohl für den Selbstnutzer und Mieter Vorteile, wenn seine Versorgung möglichst lange zuhause sichergestellt ist. Auch der Vermieter profitiert davon, denn er muss sich nicht nach neuen Mietern umschauen und kann einen bewährten Stammmieter länger in der Wohnung behalten. Zudem ist die Investition eine Investition in eine gute Zielgruppe, da hier der Bedarf immer mehr steigen wird.

Auch der Verkaufspreis oder zumindest die Verkaufbarkeit einer Immobilie kann durch eine barrierefreie Modernisierung positiv beeinflusst werden. Ob das so ist, hängt stark auch von den Gegebenheiten des Immobilienmarktes vor Ort ab. Beim Neubau gilt: Wer seine Immobilie gleich barrierefrei plant, setzt ein wichtiges Signal für die Zukunft.

Linktipps:

r immobilien intern verfasst der Immobilien-Journalist Jörg Stroisch regelmäßig sehr umfangreiche Spezial-Artikel. Dieser Artikel ist dort im Frühjahr 2018 erschienen.