Quelle: canva.com

Direkt an der Uni, hinein in die Selbstständigkeit: Das Start-Up-Unternehmen BayGenetics startet vom Lehrstuhl für Genetik an der Universität Bayreuth die Ausgründung. Proteine für die chemische Industrie will es kostengünstig produzieren helfen. Ein Portrait.

Ein Bazillus als Gründungsidee

Direkt an der Uni, hinein in die Selbstständigkeit: Das Start-Up-Unternehmen BayGenetics startet vom Lehrstuhl für Genetik an der Universität Bayreuth die Ausgründung. Proteine für die chemische Industrie will es kostengünstig produzieren helfen. Ein Portrait.

Es stinkt gewaltig nach eingeschlafenen Füßen. Wenn Markus Helfrich seine Gründungsidee betrachtet, dann kann er nicht mit angenehmen Gerüchen rechnen. In den Flakons sprießt eine cremig-weiße Masse. Und die produziert als Abfallprodukt aus Essigsäure und Butandiol, den charakteristischen Gestank. Ansonsten ist der „Bazillus Subtilis“ aber ein sehr ein angenehmer Arbeiter. Denn er fällt durch Eifer auf.

Proteine werden mit seiner Hilfe erzeugt, Einsatz finden diese in der chemischen und pharmazeutischen Industrie. Und im Gegensatz zu der chemischen Konkurrenz schafft diese Biofabrik zwei bis drei Mal so viel davon bei gleichem Mitteleinsatz. Der 32-jährige Forscher Helfrich erreicht dies durch ein besonders gutes Zusammenspielen zwischen einen im Bazillus stabil eingebundenem Gen und dem so genannten Anschalter, mit dem die Produktion angestoßen wird. Darauf hält BayGenetics das Patent.

Markus Helfrich sorgt im Labor dafür, dass diese Biofabrik auch gut und kräftig produziert. Im Gründerteam mit dabei: Wolfgang Schumann, Professor für Genetik und Helfrichs wissenschaftlicher Mentor an der Universität Bayreuth. Gunter Festel kümmert sich darum, dass es wirtschaftlich klappt: Er bringt seine Kontakte und Erfahrungen rund um universitäre Start-Ups in das Unternehmen ein. „Ziel ist es auch, Helfrich bei der Unternehmensleitung zu unterstützen“, beschreibt der Coach seinen Ansatz.

Uni als Startrampe für die Selbstständigkeit

Schumann ist der Ideenvater. Als Professor für Genetik forscht er seit 30 Jahren in diesem Bereich, gilt in Deutschland als Koryphäe in diesem Gebiet. Helfrich sorgt sich um das operative Geschäft: Als einziger ist BayGenetics schon seit einem Jahr ein Vollzeitjob für ihn. Einen Großteil dieser Zeit steckt er in die Laborarbeit, testet dort an üblichen Proteinen genau durch, wo der Bazillus Subtilis seine Stärken entfalten kann.

„Wir bringen alle unsere Erfahrungen und Stärken in das Unternehmen ein“, sagt Festel. „Und ergänzen uns dabei optimal.“ Als Gesellschafter besitzen alle gleiche Anteile an der gegründeten GmbH.

Die Universität Bayreuth bietet für universitäre Start-Ups ein optimales Umfeld. Zwar weist nur ein einfacher, unscheinbarer Papierausdruck auf den Firmensitz von BayGenetics hin, angebracht an einem der zahlreichen Universitätsgebäude. Helfrich nutzt derzeit aber kostenlos das teure Labor der Fakultät für seine Forschungen und bekommt zusätzlich noch ein eigenes Büro zur Verfügung gestellt. „Die Unterstützung ist hier sehr weitreichend“, sagt Helfrich.

Sein Gehalt erhält der Gründer von einem Stipendium, schon seit einem Jahr. Ab dem 1. November steht Helfrich dann auf eigenen finanziellen Füßen. Weiterhin kann er dann ein Labor gegen eine geringe Gebühr nutzen. Und die komplette Expertise von Schumanns Uni-Institut ebenfalls: Diplomanden und Doktoranden forschen und Helfrich kann Teile der Ergebnisse kostenlos für sein Unternehmen verwenden. „Die Nähe zur Uni wird auch für die weitere Entwicklung des Unternehmens elementarer Bestandteil des Erfolgs sein“, sagt Helfrich.

Doch die gegenseitige Vernetzung ist nur ein Bestandteil. Das Start-Up soll rasch auch wirtschaftlich erfolgreich sein, Helfrichs Einkommen sichern und den beiden anderen Gesellschaftern Gewinn bringen. Damit das klappt, müssen externe Geldgeber her. Festel: „Zum Glück gibt es mittlerweile einige staatlich initiierte Frühphasenfinanzierer wie etwa den High-Tech Gründerfonds. Und auch so sind die Chancen heute deutlich besser, mit einem universitären Start-Up durchzustarten.“ 800.000 Euro, so sieht es der Businessplan vor, benötigt BayGenetics für ein schnelles Wachstum.

Proteine für saubere Wäsche

Das Geld soll vor allem in Personal fließen. Gesellschafter Ferstel plädiert für einen vorsichtigen Umgang mit dem Geld anderer Leute: „Viele Start-Ups machen den Fehler, zunächst eine große Unternehmensstruktur aufzubauen“, so Festel „Auch ein Dienstwagen und ein üppiges Gehalt müssen wirklich nicht gleich zum Start sein.“

Solche eigene Zurückhaltung honorieren die Geldgeber, BayGenetics schaut sich bereits fleißig nach ihnen um. Vor zwei möglichen Investoren haben Helfrich und Festel bereits eine erste Präsentation gehalten: Bei einem Investor ging es nun gerade in die zweite Runde, neben den Kaufleuten auf der anderen Seite des Tischs hat hier auch ein fachlicher Gutachter tiefgehende Fragen gestellt. Unter Druck steht Helfrich nicht. „Wenn das nicht klappt, dauert es halt länger“, wiegelt er ab.

Wenn dann Helfrich oder seine zukünftigen Mitarbeiter im Labor stehen, dann basteln sie für ihre Kunden etwa aus der Pharmaindustrie maßgeschneiderte Biofabriken. Drei bis sechs Monate dauert es, bis der Bazillus Subtilis so angepasst ist, dass er effizient und stabil Proteine produzieren kann. Hierzu sind zahlreiche Tests notwendig. Inkubatoren und Heizsysteme, Kühlschränke und Flakons sind in dieser Zeit die Forschungsfläche.

Am Ende gibt es einen Flakon mit der Biofabrik und eine Lizenz. Das Endprodukt, etwa die Proteine, die in Waschmitteln eingesetzt werden, könnte dann in Kesseln mit 30.000-Liter Fassungsvermögen erzeugt werden. Und es gibt viele weitere Anwendungsmöglichkeiten, denn der Bazillus Subtilis produziert so sauber, dass er sogar für die Lebensmittel zugelassen ist. Nahe liegend sind hier Pharmaprodukte. Die Produktion übernimmt dann die Fabrik selbst, für die Lizenz bezahlt sie eine vereinbarte Gebühr an BayGenetics.

Helfrich hält den Flakon mit seinem Bazillus schräg in der Hand. Fast wie ein Brei, recht fest, sprießt die cremig-weiße Masse. „Das ist ein sehr gutes Ergebnis“, sagt Helfrich. Der Geruch von eingeschlafenen Füßen hängt schwer über dem Flakon. „Es gibt Mikroorganismen, die riechen nach frischem Waldboden“, sagt Helfrich. „Das Glück habe ich leider nicht. Aber ich habe mich da schon lange dran gewöhnt.“ Denn schließlich sichert dieser kleine Bazillus mit seinem Arbeitseifer seine Existenzgründung. Und dafür darf er ruhig ein bisschen stinken.

Dieser Artikel direkt bei Wiwo.de Für WirtschaftsWoche.de hat Jörg Stroisch im Redaktionsdienst gearbeitet – und verfasst verschiedene Wirtschaftsartikel.